Bericht von Eddy Henkel:
Tag X Oberstdorf – Lech 34,6km 2083Hm
Oberstdorf, Samstag den 29.August, 9:15 Uhr. Ich stehe mit meiner Internetbekanntschaft (Partnerbärse), die ich in den nächsten Tage noch intensiver kennenlernen werde und ein paar hundert anderen Laufenthusiasten kurz vor der – Einlass Kontrollea – zur ersten Etappe der 2015er Ausgabe des GORETEX Trans Alpine Runs. Das über ein Drittel der Startenden das finale Ziel nicht erreichen wird, ist zu diesem Zeitpunkt sicherlich noch keinem der überwiegend jüngeren Teilnehmer bewusst.
Meinem Alter entsprechend pflichtbewusst, habe ich bereits am Vorabend meinen neuen Trailrucksack nach Liste gepackt und werde nun von der Frage: – hast du Gel oder Riegel dabeia – trotz der bereits jetzt relativ hohen Temperaturen, kalt erwischt. – Sind die beschriftet?a – Klar, denke ich, steht ja Powergel, Kohlenhydratriegel und ähnliches drauf. Bevor ich aber noch komplett die Haltung verliere, ergänzt der Controller: – Du musst auf jedes Teil deine Startnummer schreiben, dann erhäht sich die Chance, dass auch die Verpackungen der zugelassenen Aufputschmittel das Ziel erreichena – .
Als ob ich in der Natur schon mal was zurückgelassen hätte – ..
Mein Partner versucht, in den verbleibenden Minuten bis zum Start, seine aus zwei Teilnahmen gewonnen Erkenntnisse detailliert und zu meinem Besten an den Mann zu bringen.
Ich smalltalke gleichzeitig in englisch mit einem Mutter/Tochterpärchen aus Island, die in der Startaufstellung neben uns stehen. 30km später werde ich erfahren, dass beide wegen ihrer Vorfahren deutsch sprechen können.
Nach einer kurzen Ansage der Rennleitung mit eindringlicher Warnung vor der Hitze und ihren Folgen, geht es dann um Punkt 10 Uhr los. Hoch motiviert und recht flott machen wir uns mit ACDC – s – Highwß to Hella – auf den Weg hoch zur Hälle. Ich werde das Liedchen noch hassen lernen – .
Die ersten Kilometer durch und aus dem Ort führen auf gut ausgebauten Straßen ohne nennenswerte Steigung in die Allgäuer Voralpen. Rainer schwebt leichtfüßig und mit permanentem Blick auf seinen Laufcomputer in 10 Meter Abstand vor mir her und ruft mir gelegentlich – unsere Laufgeschwindigkeit und viel zu hocha – nach hinten – ..
35 Minuten vor dem Limit erreichen wir zusammen den ersten Verpflegungsposten auf der Wankalp und stärken uns ausgiebig. Mein Blick schweift in die Ferne und mit viel Phantasie werden die winzigen Farbkleckse am Horizont und unendlich weit über uns zu Läuferinnen und Läufern auf dem Weg zur 2190m hohen Fiderescharte 2190müN. Noch nicht hochalpin, aber schon heftig steil, auf schmalen, Geröllbedeckten Pfaden geht es über die Baumgrenze. Vom höchsten Punkt des heutigen Tages geht es dann steil nach unten , bis Warth nur unterbrochen durch drei weitere Anstiege die auch Rainers Tempo bremsen, währendich sehr gut mit den Anforderungen zurechtkomme. Lediglich mein nachlässiges Schuh schnüren wird sich bereits am ersten Tag bitter rächen und dafür sorgen, dass ich außer Medaille und Shirt ein weiteres nachhaltiges Andenken behalten werde. Auf der Mindelheimer Hütte kühlen wir unsere aufgeheizten Körper am kühlen Wassertrog einige Grade herunter, währendandere erfahrenere Teilnehmer die Gelegenheit zu einem isotonischem getränk aus der Hütte nutzen.
Just in time erreichen wir den zweiten VP in Warth und erleben noch währendunseres Aufenthalts, dass die ersten Teilnehmer aus dem Rennen genommen werden. Der weitere Weg nach Lech verläuft unaufgeregt mit mäßigen An- und Abstiegen durch Almwiesen und Kiefernwälder.
Hier treffen wir auch auf den von vielen anderen Läufen bekannten – Motivatora – , der uns währendseine Beine kürzer und seine Nase länger werden mit dem Spruch: – Letzter Anstieg, Jungsa – begrüßt.
Endlich tritt der Weg ganz aus dem Wald heraus und wir können uns auf das Ende des ersten Tags freuen. Supportmitglied Nr. 1 versucht rückwärtslaufend ein Foto unseres Einlaufs zu machen, was misslingt. Kurze Stärkung, dann zum Duschen in den feudalen Saunabereich der Eissporthalle Lech. Nachdem der Dreck abgespült ist, verstecke ich rasch meinen ramponierten Groß Zeh unter einem Mullverband.
Beim Briefing für den nächsten Tag wieder die obligatorische Warnung vor der Hitze und der Hinweis darauf, dass die Strecke trotz ihrer Kürze und den geringen HM nicht zu unterschätzen sei. Wahr gesprochen – .
später, beim wohlverdienten, gut gekühlten Bierchen aus der Heimat, berichtet mir meine Frau von zwei Läufern, die außer ihrem Trailrucksack und den Laufschuhen wenig bis nichts getragen hätten.
Trotzdem hätten Beide auf eine Intimrasur verzichtet. Ein wenig irritiert drehe ich mich in meine gewohnte KO-Position und bin in Kürze weggedämmert. Irgendwie kommen mir die beiden Borats aber nicht aus dem Sinn. Ich werde noch Gelegenheit bekommen einen eigenen Blick auf sie zu werfen.
Tag 2 Lech – St.Anton 24,7km 1899Hm
Bereits beim Start um 7:00 ist Allen klar, heute wird es heiß und kein Zuckerschlecken. Nach sehr kurzer Einlaufphase geht es bereits steil zur Rüfikopfbergstation 2350m mit dem VP1 nach oben. Bald erreichen wir den ersten, noch bewaldeten Anstieg und Rückstau.
Lautstarkes Schimpfen in allen möglichen Sprachen, da hier auf längere Zeit nicht überholt werden kann. Also einreihen, aufschließen, dranbleiben! Die abseits des schmalen Pfads überholenden werden gnadenlos ausgebuht. Ein Blick auf die Uhr macht gnadenlos klar, heute wird uns nicht geschenkt und obwohl die letzten Kilometer an Schroffheit wieder verlieren und teilweise den Fahrweg zwischen den Bergbahnmasten hochführt, wird die Zeit knapp.
Gerade noch im Zeitfenster passieren wir die Kontaktschwelle und laufen nach kurzem Aufenthalt weiter. Das Isländer Mutter-Tochterteam wechselt über die Zeitmessung und wird von mir deutsch angefeuert. Tochter ist ziemlich beansprucht, Mutter sieht aus als brauchte sie nicht mal duschen.
Am steilen Abstieg der nächste Stau, ein Läufer liegt zwischen den Felsbrocken am Rande des Trails. Mit – ich bin vom Fach, lasst mich mal durcha – drängt sich ein Sportler an den Wartenden vorbei bis zur – Unglücksstellea – , beugt sich kurz herunter, murmelt: – hat nur einen Krampfa – und läuft weiter.
Nach zweieinhalb Kilometern der nächste Anstieg zur Rauhekopfscharte 2415m und weil wir es ja bereits geübt haben, runter zur Stuttgarter Hütte. Wirtin, Wirt und kleine Tochter stehen mit Schäpfkellen bereit und kühlen die vorbeihastenden TAR-Teilnehmer wo immer sie es wünschen. Werden von den Meisten mit Applaus belohnt; sehr liebe Unterstützung.
Kurz vor dem nächsten Joch lässt mich mein Partner wieder von der Leine; er weiß nicht ob er es in Time schafft und ich solle doch vorauslaufen. Temperaturen über 30 Grad, die steile Fuß- und Handeinsatz fordernde Rampe über den Pass hoch zur Scharte sorgen für weitere Ausfälle.
Da abwärts eine meiner Leidenschaften ist, (aufwärts ist die andere) lasse ich mich jetzt mal so richtig von meinen 80kg nach unten schieben. Ich erreiche den Posten noch gerade rechtzeitig, um dann zu erfahren, dass das Zeitlimit für diesen Abschnitt aufgehoben sei. Hintergrund ist, dass sonst über 110 Teilnehmer ausgeschieden wären und man es der großen Hitze schulde.
Es folgt jetzt wieder ein sehr steiles Teilstück, zunächst durch Kieferngebüsch, dann aber klettersteigähnlich und teilweise versichert durch eine Felswand. Einige nicht schwindelfreie Teilnehmer nehmen lieber den Weg zurück zur letzten VP. Ein spanischer Läufer kehrt um, weil er an der VP seine TrailStöcke hat stehen lassen. Mit äußerstem Einsatz erreiche ich das Valfagerjoch 2543m und damit die höchste Stelle der Etappe und kann es jetzt wieder auf den letzten 8km nach St.Anton so richtig gehen lassen. Auch Rainer hat sich bergab erholen können und wir laufen nach einer kleinen Schleife durch die Altstadt gemeinsam ins Ziel.
Wieder ein Duschvergnügen der besonderen Art: Saunabereich der Arlberg well.com Halle. Luxuriäs und entspannend; leider nicht für Alle. In dem nicht wirklich nach Männlein und Frauen getrennten Bereich, zieht eine kleine Japanerin in vollem Ornat ihre Runden auf der Suche einer ein klein wenig intimen Ecke, den sie aber währendmeines längeren Aufenthalts nicht gefunden hat. Der Auftritt zweier barbusiger Däninnen, die gewohnter Weise keinerlei Probleme in dieser Situation hatten, waren auch nicht hilfreich. Hätte ich ihr ein paar von meinen feuchten Reinigungstüchern anbieten sollen – – .?
Tagessiegerehrung wie gewohnt, Briefing ein wenig anders: Der Leiter der Medical Crew muss einige deutliche Worte sprechen. Bereits am ersten Tag gab es einige Zusammenbrüche und einiger der TN mussten mit Infusionen aufgepäppelt werden. Dies sei den Temperaturen und der mangelhaften Flüssigkeitsaufnahme geschuldet. Es sei aber unverantwortlich und nicht zu akzeptieren, dass am zweiten Tag Sportler die Medical Crew aufsuchten, um sich vorsorglich eine Infusion geben zu lassen, um den Lauf ohne Unterbrechung fortsetzen zu können. Außerdem sei ein Läufer nach intensiver Behandlung und Herausnahme aus dem Rennen trotzdem weitergelaufen und weit hinter dem Feld in unwegsamen Gelände zusammengebrochen. Nur durch Zufall habe das Nachkommando den Verunglückten entdeckt und seine Bergung mit Helikopter veranlasst.
Ab sofort gelte folgende Regel: Wer währenddes Laufs medizinische Hilfe durch Infusion oder andere Mittel benötigt um sich zu stabilisieren, wird aus dem Rennen genommen. Trotz überwiegender Zustimmung durch die Zuhärer, habe ich später noch an verschiedenen Stellen kontrovers mit anderen TN über diese Entscheidung diskutiert.
Tag 3 St.Anton – Landeck 39,6km 2658Hm
Der dritte Tag in Folge bei sengender Hitze. Kurz nach dem Start um 7:00 hängen wir bereits in der ersten Wand, die uns ohne Erholungsmöglichkeit hoch zur Leutkirchner Hütte 2051m zwingt. Einige alte Hasen im TAR-Geschäft nutzen die Gelegenheit und kehren für ein schnelles alkoholfreies Weizen in der Hütte ein. Bei uns reicht es aber immerhin zu einer erfrischenden Dusche aus der Frischwassertränke, die für alle zugänglich ist.
Nur durch einen weiteren 200m Anstieg unterbrochen, geht der Trail dann zielstrebig und flott, leider bis ins Tal nach Pettneu, zum V1 und von dort am Fluss entlang, um dann in 3Teiletappen die verlorene Höhe wieder zurückzugewinnen. Bis zum Anstieg liegen wir gut in der Zeit, kurz vor dem Gipfel verliere ich meinen Partner wieder aus den Augen. Wie schon praktiziert, warte ich am V2 eine längere Zeit, dann mache ich mich alleine auf den Restweg nach Landeck. Bald treffe ich Phillip wieder, der auch mal wieder ohne seine Partnerin unterwegs ist.
5km vor Landeck hole ich das japanische Pärchen ein und laufe gemeinsam mit ihnen ins Ziel. Leider vergesse ich nach dem Ausgang des Duschabenteuers vom Vortag zu fragen.
Mit zwei Weizenbieren in der Hand und dick verpackt erwarte ich Rainer im Zielbereich, um nach Begrüßung und kurzem Austausch über unsere Befindlichkeiten, humpelnd den langen Weg zum Duschcontainer anzutreten. Unterwegs stoße ich auf Island Mutter/Tochter und erfahre, dass Tochter große Probleme mit der Hitze hat und Beide die heutige Etappe ausgelassen hätten.
Island Mutter (Christine) fragt, ob sie am nächsten Tag mit uns starten dürfe. Gerne sage ich zu, wollte ja schon lange mein Isländisch ein wenig auffrischen.
Nach dem Duschen lasse ich mir von meinem persönlichen Supportteam, die zahlreichen Blessuren an den Füßen behandeln. Da der dicke Zeh noch gut verpackt ist, lassen wir ihn lieber eingehüllt.
Tag 4 Landeck – Samnaun, Die königsetappe 45,7km 2861Hm
Same procedure as every dß; aber mit Christine im Team. Macht die ersten Kilometer kurzweilig , genauso wie die beiden Borats, die ihre paar quadratzentimeter großen Stofffetzen jeden Tag in den Landesfarben des zu durchlaufenden Staats tragen. Die Einlaufphase nutze ich zu einem interkulturellem Austausch mit Christine und erfahre so, dass ihre Tochter außer der Hitze auch noch ein – japanischesa – Problem hatte. Mann und Frau duschen in Island anders als in anderen Nordländern streng getrennt; selbst in der berühmten Blauen Lagune gibt es getrennte textile Badeplätze. Auch bei Damensporta – manna – schaften sei es nicht unüblich nach dem Training oder Wettkampf im Badeanzug zu Duschen. Und ich dachte immer wir Nordrhein Vandalen seien prüde – ..
Um mir Zeit zur Verarbeitung zu geben, legte die flotte Isländerin ein paar Kohlen drauf und wurde von uns erst bei der Pastaparty wiedergesehen.
Auf der Hälfte des Anstiegs zum Fisser Joch 2432m habe ich den Kontakt zu meinem Partner verloren, der mich Solo voran schickte, damit ich das Zeitlimit einhalten kann. Wie verabredet geselle ich mich 20m vor der Messstelle zu weiteren einsamen Läufern. Schnell sind wir uns einig: Es wird bis 3Minuten vor Endzeit gewartet, dann ist die Chance als Team weiterzulaufen vertan und jeder wird zum Einzelkämpfer. Nach 20Minuten Wartezeit in recht kühlem Höhenwind rufe ich Rainer an, er kann mir aber keine Positionsangabe machen. Nach und nach machen sich die anderen Läufer nach Eintreffen ihrer Partner auf den Weg und ich warte immer noch. Endlich taucht auch mein Mitläufer auf und wir machen noch eine gemeinsame kurze Pause am VP1. Auf sehr schwierigem Geläuf, teilweise weglos runter zum Kälner Haus und dann über das Arrezjoch zum höchsten Punkt der Laufserie: Ochsenscharte 2787m. Hier erwartet uns bereits die rosarote Puschel-Truppe, die uns dick eingepackt und gut gelaunt, begrüßt. Nach drei Kilometer Abstieg auf gelenkunfreundlichem Forstweg und letzter Rast am V3 passieren wir die Grenze zur Schweiz und walken gemütlich mit einem anderen Pärchen Richtung Samnaun. Eineinhalb Kilometer vor dem Ziel gibt es nochmal eine Colaspritze, die Rainer dermaßen antreibt, dass er 300m vor dem Ziel noch ein weiteres Pärchen überholt. überraschung als diese dann die Ziellinie passieren und einen Gutschein für eine Massage überreicht bekommen !
Tag 5: Samnaun Bergsprint 6,23km 731Hm
Ruhetag……Kräfte sammeln für die letzten beiden herausfordernden Etappen. Nur noch eben auf den Berg laufen! Wie befürchtet regnet es am Morgen in Strämen; da das Supportteam mit der Seilbahn fährt, gebe ich meinen geschätzten Eintrefftermin an der Bergstation an.
Dann rücken wir von Schirm zu Schirm langsam vor. Weil wir wir in der Gesamtwertung ziemlich hinten liegen, dürfen wir gleich nach den Einzelstartern los. zunächst bergab durch – s Dorf und dann auf einem befestigten Fahrweg in die Höhe. Schon bald verlassen wir diesen und rutschen auf regendurchweichten Trampelpfaden, durch Pfützen und reichlich Schlamm bergan. Wie werden diese Trails wohl für die letzten Starter aussehen??
Nach einer dreiviertel Stunde erreiche ich die Dangerzone; wegen der tiefhängenden Wolken und Gischt, bleibt mir nur eine Ahnung von den (Un)Tiefen.
Leider trübt das aber auch meinen Blick auf den Wasserfall. Das letzte Stück über eine steile Wiese, dann nur noch ein kurzes Stück über einen Fahrweg. Blick auf die Uhr…… 25min schneller als gedacht! Gar nicht gut, da meine trockenen Klamotten und die Eintrittskarte fürs Essen, mitsamt Supportteam noch nicht eingetroffen sind. Einige Zeit schaue ich mir die Ankommenden, aus dem Nebel auftauchende Gondeln an, gebe aber schließlich bis auf die Knochen durchgefroren auf.
An der Einlasskontrolle finde ich verständnisvolle Menschen, die mich aufgrund der Startnummer in die Komfortzone passieren lassen. Mit dem Süppchen Hände und Inneres aufgewärmt suche ich mir dann ein Plätzchen in der Nähe einer Heizung. Als meine Begleiter ankommen bin ich schon halbwegs fit und wohl genährt. So kann ich mich wenigsten in trockenen Klamotten auf den Weg nach unten machen. An diesem Abend gehe ich zeitig in die Koje.
Tag 6: Samnaun – Scoul 37,1km 2064Hm
Eigentlich hatten wir Heute schon mit schlechtem Wetter gerechnet, aber die Morgensonne lässt schnell die letzten Dunstfetzen verdunsten und begleitet uns den ganzen Tag auf unserem Wweg nach Scoul. Auf dem Fahrweg zur Bergstation der Skipiste geht es zunächst gemäßigt, später aber steiler und weglos über das Zeblasjoch mit der ersten Verpflegungsstation hoch zum Fuorcia Val Gronda, immerhin 2752m hoch. War es zunächst noch angenehm warm, brauchen wir jetzt wegen der Höhe und dem bevorstehenden Abstieg unsere Jacken. Der Trail führt über wegloses Gelände, Geröllfelder und Wiesen zum Fimberpass. Auf dem 5km langen Abstieg ins Val Chäglias schließt Rainer zu mir auf und wir traben locker das letzte Stück auf dem Forstweg zum zweiten in schwierigem Gelände bergauf geht, stärken wir uns ausgiebig. Durch ein weites Tal schlängelt sich der Trail scheinbar weglos durch die Geröllfelder zum 2730m hohen Fuorcia Champatsch. Da Scoul über 600m tiefer liegt wie der Startort, müssen wir auf den verbleibenden 11km 1530 Höhenmeter abbauen. Trotz fester Schnürung sendet mein Zeh fortwährendWarnsignale in die oberste Etage. Wir erreichen das schöne Städtchen Scoul und queren das Tal durch den historischen Ortskern und über eine hohe Brücke. Hier erreichen die Signale endlich die Synapsen und die verdiente Beachtung. Ich suche das Zelt der Mediziner auf und lasse mir meinen tagealten Verband vom Zeh operieren. Zum Ablauf der Wundsekrete treibt der Jungmediziner strohhalmdicke Hohlnadeln ins Nagelbett. Seine Frage: Tut es weh? lasse ich unbeantwortet. Schnell noch ein paar Blasenpflaster und den Ratschlag nach Heimkehr den Hausarzt aufzusuchen annehmen, dann auf den sehr feudalen Campingplatz gleich hinter der Ziellinie. Auf die Pastaparty verzichten wir heute. Carsten, der mit seinem VW-Bus neben uns steht, versucht seine arg ramponierten und unter der Schlammschicht schlecht erkennbaren Laufschuhe loszuwerden. Sein Begleitteam wird am nächsten Morgen ohne die zum Lüften unter den Bus gestellten Treter losfahren. Aber meine aufmerksamen Supporter nehmen die Schuhe zum nächsten Ziel mit.
Tag 7: Scoul – St. Valentin 37,8km 1633HM
Wir freuen uns alle schon auf die berühmte Uina Schlucht, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Auf Forstwegen führt der Trail einige Kilometer abwärts bis Sur En, hier biegen wir Richtung Schlucht ab und der Weg wird enger und enger. Trotzdem gibt es noch einen Anlieferdienst für die touristischen Schluchtbesucher, die den weiten Anmarsch von Sur En scheuen. Tatsächlich müssen wir an den engsten Passagen für diesen Taxibus Platz machen.
Zum ersten Mal treffen wir auch auf größere Wandergruppen, was uns auf den bisherigen Etappen aber nicht gefehlt hat. Dies unterstreicht den Stellenwert, den die Schlucht bei den Wanderzielen in der Region einnimmt.
Wegen des nächtlichen Regens wurde die erste VP1 um anderthalb Kilometer und viele Höhenmeter weiter nach unten gelegt, bedeutete das der zeitliche Abstand zur VP2 entsprechend länger wurde. In einer Gruppe mit einigen Kanadiern und dem japanischen Pärchen erreichen wir den finalen Schluchtzugang. Ich erkläre den weiteren Verlauf der Strecke und zeige den als schwarzen Strich in der senkrechten Wand sichtbaren Steig bis zur Scharte. Ungläubiges Staunen und Kopfschütteln. Ich versuche es noch einmal……….
Never, ever die Kanadier; ? – ü�ü�, ü�ü?ü�äSü?ü� – die Japaner. Trotzdem haben wir Alle am Schluchtausgang wiedergetroffen.
Im Frühjahr hatte ich bereits die Schlucht besuchen wollen, musste aber wegen Renovierungs-arbeiten umkehren. Umso erstaunter war ich jetzt, da in den ersten Abschnitten viele Planken, Seile und Betonteile erneuert waren; in den oberen Bereichen aber jegliche Absturzsicherung in Richtung Schluchtgrund fehlte oder vom Steinschlag verbogen die Richtung des Falls, beim eventuellen Straucheln anzeigte.
Mit ein wenig Ehrfurcht und wie Eingangs der Danger Zone gefordert, im ersten Gang, nehmen wir aber auch dieses eindrucksvolle Hindernis und gelangen dann auf eine größtenteils weglose Hochebene mit Aussicht auf die frisch gepuderten Bergriesen im Hintergrund.
Einige Kilometer bergauf bergab an einem nicht enden wollenden Steilhang, dann der V2 vor dem letzten Anstieg. Meine Kräfte nehmen langsam ab, mittlerweile sind alle Kärner verbraucht und mein Körper benötigte dringend eine Frischzellenkur. Ich lasse es langsam ana – gehena – und Rainer weit voraus. Nehme mir die Zeit für einige Fotos und erwische so den einzigen Blick weit voraus zum Reschensee mit Kirchturm. Ich spüre schon den ganzen Tag über gelegentliches Rumoren in Magen und Darm; schenke diesem aber zunächst keine weitere Beachtung.
Der Trail führt nun talwärts durch Kieferwälder und über Weideflächen, ein Geläuf nach meinem Geschmack. V3 ohne längeren Aufenthalt, dann weiter abwärts bis zu den Ausläufern von St.Valentin. Im Tal sehen wir schon die Endstation des heutigen Abschnitts und mein mobile Heim. Kurze Verschnaufpause mit Weizenbier in den Relaxstühlen vor dem Goretex Stand, dann den relativ weiten Weg zum Campingplatz antreten. Abends mit der Luftbahn hoch zur Pastaparty. Kriege aber einfach nichts runter, selbst der Rotwein bleibt stehen. höchste Alarmzeichen! Ich schaffe es gerade noch, mir durch die ankommenden Nachzügler den Weg nach draußen zu bahnen, um mir dann in hohem Bogen die Nahrungsmittel der letzten Stunden noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen. Nachdem ich mich so ausgiebig geleert habe, geht es mir schlagartig besser. Die Besorgnis meiner Betreuer kann ich entkräften, ich fühle mich wirklich nicht überlastet und wir entscheiden dass ich am nächsten Tag auch die letzte Etappe unter die Füße nehmen werde. Auf dem Campingplatz bereitet ein Laufkollege gerade ein selbst gefangene, unterarmlange Forelle auf dem Grill zu. Da aber mein Innerstes schon nach Außen gekehrt ist, kann mich auch dies nicht weiter beeindrucken.
Tag8: St.Valentin – Sulden
Tee zum Frühstück und zwei Zwieback…… das sollte außer Cola mein Treibstoff für den ganzen Tag sein und das härteste Teilstück des diesjährigen TAR sein. Na, mal schaun. Trotz trübem Wetter; die ganze Nacht hat es heftig auf – s mobile Wohnen geprasselt, ist meine Stimmung dadurch nicht beeinträchtigt. Rainer bestätigt mir nun die Gerüchte vom Vortag: Wegen des Schneefalls ist der schon bei gutem Wetter schwierige übergang über die Tabarettascharte nicht möglich und es wird ab Stilfs über die alternativ Route gelaufen. Das die Strecke dadurch ein paar Kilometer kürzer und die Höhenmeter weniger werden, stört uns nicht wirklich.
Vom Supportteam beschirmt geht es in die Startbox, die Euphorie der letzten Tage will sich nicht einstellen, ACDC kann mich auch nicht wirklich antreiben. Startschuss und los – .. Locker trabend geht es vom Haidersee auf überwiegend geteerten Wegen und durch viele kleine sehenswerte Orte hinab. Apfelplantagen, Burgen und Kläster säumen den Weg bevor es in ein Seitental Richtung Stilfserjoch geht. überwiegend im Hang und Kiefernwäldern führt der Weg mit kurzen Ausnahmen hoch bis kurz vor Stils, hier queren wir das Tal und die vielbefahrene Straße zum Joch. Hier, am letzten VP erfahre ich vom anwesenden Rennarzt, dass ein Großteil der Sportler und auch einige der Helfer unter einem bösen Magen-Darm Virus leiden. Ich solle es ignorieren und ruhig wieder – normala – essen. Ok, dann mal alles rein für die letzten Kilometer, die trotz Streckenverkürzung und Reduzierung der Höhenmeter größtmögliche Anstrengung verlangen. Rainer, der seit meinem Schwächeln immer ein Stückchen voraus läuft, zieht mich so den nicht enden wollenden Anstieg nach Sulden hinauf. Jeden Kommentar: – ist bestimmt der letzte Anstiega – erweist sich nach Erreichen der nächsten Höhe als unbarmherzige Lüge. Es bleibt steil, auf teilweise sehr schmalem, mit Wurzeln und Geröll gespicktem Singletrail. Aber schließlich ist es geschafft, an den Messnera – schen Tibetrindern vorbei ins Dorf.
Doch nicht!!!! Noch einmal hoch, am Ziel seitlich vorbei und dann, endlich über eine schmale Holzbrücke ins Zielgebiet. Ziellinie ist in der Halle, wo uns schon die Fotografen und das Supportteam erwarten. Wir fallen uns um den Hals: geschafft. Ein 8tägiges Abenteuer und unvergessliches Erlebnis ist zu Ende. Gerne nehmen wir abends unsere Finishershirts entgegen und posen vor dem Siegertreppchen.
Fazit: Ein unvergessliches, herausragendes Laufabenteuer mit herrlichen Trails durch wilde, urtümliche Landschaft. Hervorragend organisiert und mit vielen, vielen netten Bekanntschaften auf den nie einsamen Pfaden. Die Anforderungen waren hoch, ließen sich durch gute Vorbereitung aber gut meistern. Lediglich das Schuhschnüren muss noch optimiert werden und das Laufen auf Cola ist nur sehr begrenzt möglich.
Ein großer Dank geht an meinen Laufpartner Rainer, unseren Fahrer Nico und meine Frau. Letztere war von meinem Vorhaben nur schwierig zu begeistern, hat mich aber jeden Tag aufmunternd ins Rennen geschickt und am Ziel liebevoll empfangen.