Der Sonnenschein kitzelt mich aus dem Schlaf und auf Grund des herrlich blauen Himmels, welcher durch die Vorhänge lugt, durchfluten die ersten Endorphine und die Vorfreude meinen Körper. Schließlich möchte ich mich heute einer besonderen Herausforderung stellen – den 13 Summits von Saalbach. 13 Gipfelsiege in Reih und Glied. Ich muss an Karl-Friedrich Sattmann denken, schmunzelnd. Wandernadel. Um diese morgendliche Uhrzeit schlummert das Tal im Tiefschlaf, als ich schnell ein paar Brötchen und eine Schale Müsli hinunter schlinge.
Der Kaffee vertreibt die restliche Müdigkeit aus den Knochen. Zeit zum Aufbrechen. Ein Aufbruch in einen spannenden Tag. Der Laufrucksack ist mit den wichtigsten Utensilien gefüllt. Erste Hilfe Kit, Handy, Trinkblase, Handflasche, Riegel, leichte Jacke, Schlauchschal, … das Wichtigste passt. Nochmal ein überprüfender Blick auf die GPS- Pulsuhr und wohlwollendes Nicken, da hier immer noch 100% am Display leuchtet und einen geladenen Akku bezeugt. Kann eigentlich nicht mehr viel schief gehen und zumindest die technischen Utensilien stellen keine Hürde in der abendlichen Analyse des Tages dar, inklusive Upload in meine STRAVA Community. Die werden neidisch sein.
Wenige Minuten später bin ich schon im Anstieg. Flotten, frischen Schrittes geht es zügig steil bergauf und auch voran. Denn die ersten 1.000 Höhenmeter in Saalbach sind quasi die Eintrittspforte in eine andere Welt. Auf einer Höhe von über 2.000 Metern über der Adria wird man von einem spektakulären Panorama „geflasht“. Die Hohen Tauern. Davor die sanften Riesen der Grasberge, auf denen ich gerade kurz innehalte und etwas trinke. Der Schattberg mit seinen 2018 m ist der erste Summit und ab hier startet das Spektakel erst richtig. Denn das Spezielle an Saalbach, Sommer wie Winter, ist eine durchgehende Bergkette. Hat man erst die ersten 1.000 Hm überwunden, bewegt man sich permanent entlang der Grate und es folgen „nur“ mehr kurze knackige Anstiege und Downhills, Almwiesen und wenige Geröllpassagen. Schiefer und erddurchzogene Trails bilden meist den Untergrund: griffig durch die Steine, sanft durch das fast ledrige Gras und eben der Erde. Es ist selten alpin, ausgesetzt, es gibt keine Kletterpassagen. Nein, diese Umstände belassen wir lieber den majestätischen Gletschern und 3.000ern im Blickfeld.
Die Beine sind frisch, und somit das Tempo mit angezogener Handbremse auf den ersten Metern wichtig. Nachdem Mittelgipfel auf 2089 m passiert man noch eine bewirtschaftete Hütte und danach beginnen absolut geniale Trailrunning Abschnitte. Leicht bergab, teilweise neben den Bike-Trails von Saalbach, laufe ich mit hohem Tempo in den Gegenhang, versuche den Schwung mitzunehmen, denn der nächste Gipfel ist zum Greifen nah. Schon langsam dämmert mir immer mehr die Faszination dieser Topographie. So wie das zusammenhängende Skigebiet den Wintergast erfreut, so lacht das Läuferherz auch über die nahtlose Aneinanderreihung der Gipfelkreuze. Wenige zügige Schritte bergauf und ich berühre respektvoll das alte Holz des Kreuzes. Ein schöner Gipfel. Aber einer von vielen. Also weiter. Die kurze Geröll-Passage macht Spaß, wie ein kleines Kind springe ich auf den größeren Felsen hinab, bevor ich nach dem Saalbachkogel (2092m) oberhalb der Hacklberger Seen den Hoch- und Hochsaalbachkogel mit jeweils 2248 m und 2212m von Weitem sehen kann und mich mental auf den nächsten Uphill vorbereite. An dieser Stelle muss man sich bremsen, denn die Trails hier oben verleiten zu einem flotten Laufschritt. Zu gut ist die Oberfläche des perfekt beschilderten Pfads.
Die folgenden zwei Gipfel sind „lässig“, wie wir im Ort alle möglichen Sachen bezeichnen. Denn dieser Ausdruck ist in Saalbach auch unter Einheimischen der Begriff für etwas Tolles, Entspanntes, Bewegendes, Unvergleichliches … Es ist also lässig hier oben. Punkt. Selfie Time im Home of Lässig. Der folgende Abschnitt vereint die Essenz vom Trailrunning in den Bergen. Mein Blick auf die Hohen Tauern linker Hand ist ungetrübt, quasi mein Backdrop des Laufens, rechter Hand überblicke ich das Glemmtal, sehe meine nächsten Gipfel und ich versuche ständig, die Distanz abzuschätzen. Die vielen Mini-Seitentäler erschweren diese Unterfangen ungemein.
Bis zum Bärensteigkopf geht es flowig dahin, ein nahezu leichter Schritt beflügelt für die nächsten Gipfel. Nach diesem „Kopf“ steht der Manlitzkogel mit 2247 m am Programm. Kurz davor schaut mich eine Herde Schafe ungläubig an. Aber die sind solche Typen wie mich gewohnt und laben sich weiter in der saftigen Almwiese. Zwischen den einzelnen Gipfeln tun sich immer wieder kleine Erhebungen oder POIs auf. Lamperbichkogel, Rabenkopf, Sommertörl, … letzteres war sogar ein wichtiger Überquerungspunkt für früheren Handel, als Saalbach noch ein armes Bergbauerndorf war. Mit Haflinger Pferden wurden die Erzeugnisse der Bauern für einen Tauschhandel zwischen den Dörfern auf der anderen Seite des Berges hin und her getragen.
Für Trailrunner ist der Manlitzkogel ein wichtiger Punkt, da man unterhalb, oder nach dem Manlitzkogel, eine Alternativroute einschlagen kann. Diese führt über die Schönhofer Wand zum Zwölferkogel und belohnt gegebenenfalls mit einer Gondelfahrt ins Tal. Das ist gelenksschonend und deshalb meine persönliche Präferenz. Doch nicht heute. Weiter. Es folgt der Mittagskogel und danach entert man einen absolut magischen Abschnitt. Vermutlich genieße ich diese Passage, die Pfandebene, durch einen Überschuss an Glückshormonen, das „Runner‘s High“ lässt mich nahezu schweben. Dieser Abschnitt oberhalb des Talschlusses in Saalbach erinnert stellenweise an eine Kulisse aus „Der Herr der Ringe“ und macht einfach Spaß. Beim kleinen Bach fülle ich wieder meine Trinkbehältnisse und stelle mich mental darauf ein, dass es jetzt wieder hinaus geht. Ich erreiche hier den Wendepunkt dieses Laufs.
Den Tristkogel, der Superstar unter den Glemmer Bergspitzen, lasse ich fast kaltschnäuzig links liegen. Oben erspähe ich eine Gruppe von Wanderern, welche eine nachmittägliche Gipfeljause schlemmen. Der Staffkogel wird als nächstes von meiner GPS Uhr getrackt und schlägt 2115 m zu Buche. Ich wechsle in einen zügigen Wanderschritt, den Aufstieg zum Spieleckkogel möchte ich konzentriert in Angriff nehmen, ist es doch eine der letzten „alpineren“ Hürden.
Nach dem Spieleckkogel betritt man wieder die Zivilsation, zumindest sieht man hier wieder Liftanlagen in der Ferne, ein paar Biker und eine breite Forststraße schlängelt sich auf den Gipfel. Ich laufe kurz auf dieser Straße entlang des Grates, bevor ich wieder auf einen Trail abbiege und den Reichkendlkopf (1942 m) passiere. Die Gegend hier oben ist sehr sanft. Dichtes Gras dämpft die Schritte und relativ zügig erreicht man den letzten Summit, die Hochalmspitze mit 1921 m.
Ich laufe über einen neuen Trail hinab zu einer bewirtschafteten Hütte, orientiere mich gen Reiterkogel und versuche, gemütlich das Tal zu erreichen. Die Müdigkeit ist mir ins Gesicht geschrieben. Als ich ungefähr eine halbe Stunde später die Fußgängerzone des Ortes passiere, werde ich von Gästen gemustert. Diese genießen die abendliche Wärme, welche in den Regionen des Innergebirges eher zu den seltenen meteorologischen Phänomenen zählt. Die verkrusteten Schweißflecken unter dem Rucksack lassen mein Shirt im Batikstyle erscheinen, erdverschmierte Waden und braune Laufschuhe zeugen von dem Erlebnis. Ich will nur mehr unter die Dusche und freu mich auf ein kühles Blondes und ein herzhaftes Abendessen. Danke. Lässig war’s!
13 SUMMITS – 47 Kilometer, 3.500 Höhenmeter
13 Gipfel entlang der Strecke: Schattberg Ostgipfel 2018m, Mittelgipfel 2089m, Stemmerkogel 2123m, Saalbachkogel 2092m, Hochkogel 2249m, Hochsaalbachkogel 2212m, Bärensteigkopf 2225m, Manlitzkogel 2247m, Mittagskogel 2092m, Staffkogel 2115m, Spieleckkogel 1998m, Reichkendlkopf 1942m, Hochalmspitze 1921m
Diese Strecke mit allen 13 Gipfeln kann man im Zuge des Trail & Skyrace in Saalbach laufen.
Unterkunft und Streckentipps: https://www.saalbach.com/
Text: Manuel Hirner
Copyright Titelbild: Daniel Roos