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Eigenverantwortung im Trail Wettkampf

by Sigrid Eder
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Frühsommer in den Bergen mit Sonnenschein und den letzten Flecken Schnee vom Winter, die als angenehme Kühlung unterwegs dienen – so war es schon oft Anfang Juni und so hätte es auch heuer sein können; egal ob beim gerade ausgetragenen mozart100 in Salzburg oder beim Hochkönigman in Maria Alm. 

De facto regnete es in Strömen und auf über 2.000 Metern war Schnee zu erwarten. Das wusste jeder mit einer funktionierenden Wetter-App am Handy. Beim Endurance Trail des Hochkönigman sind 85 Kilometer und 5.000 Höhenmeter zu absolvieren. Der Startschuss fällt jährlich um Mitternacht; speziell im zweiten Streckenteil ist man ausgesetzt auf einem Grat unterwegs – nicht hochalpin, aber hoch genug um dem Wetter sozusagen ausgeliefert zu sein. 

Um es vorweg zu nehmen: Das Rennen des Hochkönigman wurde letztendlich nach etwa 10 Stunden abgebrochen. Zahlreiche Teilnehmer waren völlig unterkühlt, am Berg schneite es, der Wind blies mit Spitzen um die 50-70 km/h. 

War es ok, das Rennen durchzuführen?

Nun werden auf Social Media mitunter Stimmen laut, dass das Rennen von vornherein nicht hätte durchgeführt werden dürfen. Hätte der Veranstalter also absagen müssen? 

In der Ausschreibung kann man sich die Anforderungen an die Pflichtausrüstung ansehen. Dort steht u.a. geschrieben, dass diese Ausrüstung ggf. an die Wettersituation angepasst wird. Normalerweise sind – was die Bekleidung betrifft – unter anderem eine Mütze, Handschuhe, ein Langarmshirt, eine Regenhose- und auch Jacke mit 10.000 mm Wassersäule vorgeschrieben. 

Auszug der Ausschreibung
Auszug der Ausschreibung

Zum Vergleich: Eine Hardshell (meist 3-Lagen-Jacke), die man im alpinen Gelände bzw. auf alpinen Touren verwendet, hat eine Wassersäule von mind. 20.000 mm, eine Gore-Tex Jacke eher 28.000. Das Material ist wesentlich robuster und dichter, ist im Notfall am Berg aber eine Lebensversicherung. Ohne leichte Isolationsjacke würde außerdem kein vernünftiger Bergsteiger den Rucksack schultern. Dazu kommt ein MEHR an Verpflegung als der üblichen Kohlenhydratmenge, wohl wissend, dass der Körper bei solchen Temperaturen und Wetterbedingungen wesentlich mehr Kalorien benötigt als bei Wärme. Die Nachteile dieser Ausrüstung sind ganz klar: Mehr Gewicht, weniger Atmungsaktivität, eingeschränkter Speed am Trail. 

Laut Befragung von teilnehmenden Läufern wurde die Ausrüstung nicht angepasst.

Bei Kilometer 57 in  Dienten  konnte man (wie bei den meisten Rennen über so eine Distanz) einen Dropbag deponieren und sich ggf. völlig umziehen und neu ausstatten.

Ein Urteil von außen ist immer schwierig, ich war bei diesem Rennen selbst nicht am Start, aber in den letzten 10 bis 15 Jahren bei etlichen anderen Ultras. Ich habe selbst schon mehr als einmal die Erfahrung gemacht, völlig unterkühlt zu sein, dankbar für jede einzelne auffindbare Schicht Bekleidung in meinem Rucksack. Ich bin in der Regel immer mit mehr Ausrüstung unterwegs als vorgeschrieben, weil ich nicht Gefahr laufen will, von der Bergrettung abgeholt werden zu müssen. Keiner ist davor gefeit und es kann immer etwas passieren – völlig klar. Doch wer sich bei so einer Wetterprognose einzig und alleine auf den Veranstalter verlässt und diesem die Verantwortung zuschreibt, hat in den Bergen ganz einfach zu wenig Erfahrung. 

Siehe Qualifizierung: „Auf jeden Fall muss alpine Erfahrung und Orientierung im alpinen Gelände gegeben sein.“
Die Frage ist: Wie wird das überprüft?

Wenn man sich die offiziellen Fotos ansieht, vor allem vom Rennabbruch beim Statzerhaus auf über 2.000 Metern, sieht man in Rettungsdecken eingewickelte Läufer, mit kurzen Hosen, die für Temperaturen um die 30 °C gemacht sind. Es steht mir nicht zu, zu urteilen, ob das Rennen noch durchführbar gewesen wäre. Nachdem zum Zeitpunkt des Abbruchs bereits etliche Läufer unterkühlt waren und wohl auch die Bergrettung genug zu tun hatte, war es  sicher die richtige Entscheidung, das Rennen abzubrechen, um Schlimmeres zu verhindern. 

Warum es ab Dienten keine Alternativroute zurück nach Maria Alm gab, um nicht so weit hinauf zu kommen und den Teilnehmern trotz diesem Wetter die Möglichkeit zu geben, das Ziel zu erreichen – das darf man sich auch fragen. Das Wetter kam nicht überraschend wie ein Gewitter, sondern war prognostiziert.

Schaffe ich das wirklich?

Was trotz allem bleibt, ist die Frage nach der Eigenverantwortung? Wenn man bei einem Rennen startet, mit dem Wissen, dass es ohne Unterbrechung regnen wird – die ganze Nacht, den ganzen Morgen, im Tal und auch am Berg, dann sollte man sich erst einmal entsprechende Fragen stellen:

  • Bin ich mental stark genug, um bei diesem Wetter und dieser Kälte +- 15 Stunden unterwegs zu sein? Starte ich oder beschließe ich, bei diesem Wetter kein Rennen laufen zu wollen? 
  • Wie empfindlich bin ich bei Regen und Kälte? Habe ich die entsprechende Ausrüstung oder muss ich diese adaptieren? 
  • Wie werde ich mich fühlen, wenn mir saukalt ist und ich möglicherweise bis ins nächste Tal zittere?
  • Habe ich genug Wechsel- und Isolationskleidung mit dabei? Bleibt diese in meinem Rucksack trocken? 
  • Was mache ich, wenn? Wenn ich es nicht schaffe, wo kann ich aufhören? Wie weit gehe ich, bevor ich gegebenenfalls selbst einen Schlussstrich ziehe? 
  • …. 

Es ist keine Schande, etwas für nicht sinnvoll zu befinden und gar nicht zu starten. Es ist auch keine Schande, an Punkt X abzubrechen, weil man sich eingestehen muss – aus welchem Grund auch immer – so nicht bis ins Ziel zu kommen. Man muss nicht auf den Rennabbruch des Veranstalters und die Bergrettung warten.

Letztendlich ist so ein Rennen nur ein Rennen. 

Sigrid Eder

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