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“Nur so zum nachdenken!?! Nachdem heuer ja kein gemeinsames offizielles Rennen bzw kein Ausflug möglich war, könnte der verschobene Ötscher Ultramarathon vielleicht ja was für uns sein, oder?” lautete Ende August eine Nachricht auf meinem Handy.
70 Kilometer, 3000 Höhenmeter, 2 Tage, gemeinsam mit dem Schwarzach Trail Raceteam. Lange zögerte ich nicht und klickte auf “Anmeldung”…
Ein Trailrunning-Ausflug nach Niederösterreich
In einer Laufsaison, die von vielen Absagen und Verschiebungen geprägt ist, war die Vorfreude auf ein 2-tägiges Laufevent umso größer. Gemeinsam mit Fredl und Georg vom Schwarzach Trail Raceteam by Salomon machte ich mich am ersten Oktober-Wochenende auf den Weg nach Lackenhof am Ötscher, um uns dieser Herausforderung zu stellen.
Das Gebiet rund um den Ötscher war mir bereits bekannt, weil ich vor ein paar Jahren genau die Tour von Tag 2 schon gelaufen bin – allerdings nur zu Trainingszwecken. Als ich damals hörte, dass es über den Rauhen Kamm ein Rennen gibt, dachte ich nur “Unmöglich, dieses Gelände im schnellen Schritt zu überwinden”. Jetzt sehe ich selbst, dass zunehmende Erfahrung und Training die Perspektive verändern kann und scheinbar “Unmögliches” gar nicht mehr so unrealistisch ist. Aber beginnen wir von vorne..
Tag 1 – Ein ständiges Auf und Ab
Laufveranstaltung in herausfordernden Zeiten
Aufgrund der aktuellen Situation rund um Covid-19 gab es natürlich auch beim Ötscher Ultra Trail gewisse Schutzmaßnahmen einzuhalten und die Veranstalter gaben ihr bestes, das Rennen unter Wahrung der Sicherheit durchzuführen. Im Startgelände galt die Pflicht, eine Mund-Nasen-Schutz-Maske zu tragen, außerdem war der Zutritt nur den StarterInnen erlaubt. Freunde und Familie mussten außerhalb des abgesperrten Geländes zuschauen.
Im Startbereich mussten wir uns mit Sicherheitsabstand aufstellen und wurden in 20er-Blöcke eingeteilt. Später auf dem Trail entzerrt sich das Feld ohnehin, aber gerade am Anfang ist es auch bei einer kleinen Anzahl von TeilnehmerInnen etwas enger. Um Stau und Gedränge dennoch zu vermeiden, starteten die einzelnen Blöcke mit einem Abstand von 30 Sekunden.
Und es funktionierte wunderbar. Natürlich ist das alles etwas ungewöhnlich, aber ich denke, ich spreche nicht nur für mich, wenn ich den Veranstaltern dazu gratulieren und mich bedanken möchte, dass sie all diese verschärften Bedingungen umgesetzt und trotzdem ein so tolles Event auf die Beine gestellt haben!
Ich war in Startblock 2 und startete somit um 09 Uhr und 30 Sekunden ins Rennen. Es dauerte nicht lange, bis mich die LäuferInnen der hinteren Blocks einholten.
Schnell war mir jedoch wieder bewusst, warum ich diese Rennen vermisst hatte: Es war das gemeinsame Laufen mit Gleichgesinnten. Ob schnell oder langsam, alt oder jung, bekannt oder zum ersten Mal gesehen – mit jedem kommt man schnell ins Gespräch, lacht miteinander, kämpft miteinander (dazu später noch mehr ;-)) und genießt die gemeinsame Zeit am Trail.
Bald holte mich der erste aus meinem Team, Georg, ein und war kurz darauf auch schon wieder aus meinem Sichtfeld verschwunden. Kurz darauf kam auch Fredl, der erst 5 Blöcke hinter mir gestartet war, bei mir an. Und blieb bei mir. Insgesamt 50 Kilometer inkl. 1850 hm. Leider erlebte er mich nicht in meiner Höchstform an diesem Tag, hatte ich doch mit einigen körperlichen Problemen zu kämpfen:
Zunächst war da das Seitenstechen die ersten Kilometer. Die Strecke ging von Kilometer 3 bis 10 nur bergab und ich konnte so gut wie nichts sagen, weil ich mich so auf meine Atmung konzentrieren musste. Außerdem war mein Puls zu hoch. Obwohl es bergab ging.
Als es nach der ersten Labestation bei Kilometer 10 flach bzw. immer wieder leicht bergauf weiterging, erholte ich mich halbwegs und ich begann den Lauf mehr zu genießen. Das war eine Phase, in der ich mit Fredl auch ein bisschen reden konnte und nicht nur wortlos neben ihm herlief. Sein Glück war, dass er ein sehr bekanntes Gesicht in der Szene ist und wir bei fast niemandem vorbeikamen, der ihn nicht kannte. So hatte er hier wenigstens die Ansprache, die er verdient
Ötschergräben alias “Grand Canyon Österreichs – ein Naturjuwel durchlaufen
Aber wie gesagt, es ging besser und bis Kilometer 30 lagen wir sogar sehr gut in der Zeit, besser als ich erwartet hatte. Nach einer kurzen Stärkung an der Labestation -auch hier wurden Sicherheitsmaßnahmen mit Maskenpflicht, vorgefertigten “Essenspaketen”, keine Selbstbedienung bei Getränken, etc. bestens eingehalten – ging es in die Ötschergräben, die zurecht auch als “Grand Canyon Österreichs” bezeichnet werden. Der Trail schlängelte sich leicht bergauf und bergab die wunderschönen Gräben hindurch und auch hier verliefen die Kilometer schneller als gedachts.
Und auch die geschafften Höhenmeter wurden mehr, obwohl man es gar nicht so merkte. Doch ich weiß nicht, ob es an dem ständigen Auf und Ab, an der Anstrengung allgemein oder an der Mischung aus salzigen Brezeln und Trockenfrüchten an der letzten Labestation lag – jedenfalls fühlte sich mein Magen gar nicht mehr gut an, bis mir richtig übel wurde.
“Falls es dich beruhigt, an dieser Stelle wurde uns beim letzten Mal auch schlecht” meinte Fredl scherzhaft, wofür ich ihm tatsächlich dankbar war. Dass wir nun am vorletzten richtig steilen Anstieg angekommen waren, kam mir nur entgegen, denn hier ging es wenigstens nur sehr langsam ohne Erschütterung voran.
Beunruhigend war nun jedoch auch der immer stärker werdende Sturm, der die Bäume in alle Richtungen bog. “Alleine deswegen schon müssen wir heute Abend ein Bier trinken – aus Dankbarkeit, dass uns kein Baum getroffen hat” hieß es hinter mir. Dem konnte ich nur zustimmen. Welch eine Glück, dass in dem mit regionalen Köstlichkeiten gefüllten Startersackerl auch eine Flasche Ötscher Pils dabei war.
Einige Kilometer kamen wir aufgrund meines Unwohlseins etwas langsamer voran als gewünscht. Und auch diese Phase war von Schweigen meinerseits geprägt. Und auch diese Phase hatte Fredl zum Glück andere LäuferInnen zum Reden. Und ich war froh, dass mich ihre Scherze ablenkten und war dankbar, nicht allein auf der Strecke zu sein.
Zum Glück vergeht alles irgendwann und als es mir nach einer Weile wieder besser ging, kamen wir wieder flotter voran.
Gemeinsam ins Ziel
Bevor es die letzten 5 Kilometern bergab ins Ziel ging, mussten wir noch den letzten steilen Anstieg bewältigen. Hier komme ich wieder auf das “gemeinsame Leiden” zurück. Es ist ein besonderes Gefühl, in der Gruppe solche – teilweise schmerzhaften – Passagen zu überwinden. Es verbindet.
“Geteiltes Leid ist halbes Leid” trifft hier wirklich zu. Ich hab dieses Sprichwort allerdings ein bisschen zu ernst genommen: Ein Läufer vor uns kämpfte mit Krämpfen und als wir ihn überholt hatten – natürlich nicht ohne eine paar aufmunternde Worte – bekam ich plötzlich die Anzeichen von Krämpfen zu spüren. Etwas später meinte der andere Läufer, der das mitbekommen hatte “Danke, dass du mir meine Krämpfe abgenommen hast” und marschierte fröhlich an uns wieder vorbei
Schließlich erreichten wir den letzten hohen Punkt und ich freute mich auf die letzten 5 Kilometer bergab. Auf langen Strecken ist es für mich immer das beste, wenn es ins Ziel nur noch hinunter geht
Bald bogen wir von der Forststraße auf die Skipiste ab und liefen die Wiese hinunter, dem Zielbogen des Ötscher Ultra Trails entgegen.
Ich stellte mir vor, wie es hier unter “normalen” Bedingungen sein würde, wenn Zuschauer zujubeln und jeden begeistert empfangen.
Doch auch ohne viel “Wirbel” war es ein erhebendes Gefühl, es geschafft zu haben, die letzten Meter hinunterzulaufen, vom Moderator namentlich erwähnt und begrüßt zu werden und die strahlenden, zufriedenen Augen der anderen TeilnehmerInnen zu sehen, die bereits hier waren. Und das alles an der Seite von Fredl – eine Ehre und ein PULSmoment!
Tag 2 – Genuss und Teamspirit
Am kaiserlich gedeckten Frühstückstisch der Ferienwohnung Teufel, in der wir untergebracht waren, verkündeten meine beiden Teamkollegen, dass sie den Ötscher heute mit mir gemeinsam bezwingen wollen. Ich konnte dazu nur schmunzeln, schließlich wussten wir alle, dass zwischen unseren Laufgeschwindigkeiten doch erhebliche Unterschiede lagen. Und obwohl der gestrige Tag für mich ein Highlight war, dachte ich nicht, dass Fredl zum zweiten Mal in “meinem” Tempo laufen wollte.
Nach demselben Startprozedere wie am Vortag dauerte es auch diesmal nicht lange, bis mich die beiden eingeholt und überholt hatten. “Genießt es” dachte ich mir und meinte es auch so. Ich wollte auf keinen Fall jemanden bremsen. Je länger die Strecke, desto wichtiger ist es, auf den eigenen Körper zu hören und das richtige Tempo für sich selbst zu wählen. Und heute warteten immerhin rund 20 Kilometer und 1150 Höhenmeter auf uns.
Dass an diesem Tag aber alle auf MEINEN Körper hörten, wurde mir bald doch klar: Nach ca. 7 Kilometern flacher Forststraße begann der Trail im Wald und genau dort warteten die zwei auf mich. Von da an waren sie bis zum Gipfel hinter mir. War es mir anfangs noch etwas unangenehm, das Tempo anzuführen, war ich bald unheimlich froh, die beiden im Schlepptau zu haben!
Das zeigte noch deutlicher, dass für uns bei diesem Laufausflug keine Platzierung oder Bestleistung im Vordergrund standen, sondern die Tatsache, eine Leidenschaft zu teilen und diese gemeinsam zu erleben.
Irgendjemand hatte ständig einen Scherz auf Lager und das Lachen tat gut. Es ließ sogar meinen Muskelkater vergessen, der sich am Morgen schlimmer angefühlt hatte als der Muskelkater während des Transalpine Runs.
Rauher Kamm – auf “allen Vieren” zum Gipfelkreuz
Nach dem relativ steilen Anstieg im Wald ging es nach der Baumgrenze auf den Rauhen Kamm – ein spektakulärer Abschnitt bis zum Gipfel. Die Aussicht war fantastisch und das Gelände genau nach meinem Geschmack. Immer wieder gab es kleine Passagen zum “Kraxeln”, sogar Seilversicherungen waren angebracht. Für ausreichend Sicherheit auf dieser anspruchsvollen Passage sorgten zahlreiche Bergretter, die den LäuferInnen gut zusprachen. Auch kleine Tipps wurden gegeben, wenn jemand ratsuchend vor einem Felsen stand und nicht wusste, wie es weiterging.
Bald erreichten wir das Gipfelkreuz des Ötschers, um das sich zahlreiche Wanderer tummelten. Kein Wunder – die Aussicht war traumhaft, die Sonne schien vom blauen Himmel und der Sturm von gestern war fast ganz verflogen.
Nach ein paar Fotos machten wir uns auf den Weg nach unten und sausten auch hier an unzähligen AusflüglerInnen vorbei. Schließlich kamen wir wieder zur höchsten Stelle von der gestrigen Runde. Die letzten 5 Kilometer waren uns also schon bekannt.
Auf der Skipiste kurz vorm Ziel nahmen mich die beiden in die Mitte, wir kontrollierten, ob die Frisur sitzt (;-)) und genossen die letzten Laufmeter dieses Tages.
Das Ziel war erreicht, die Medaille für ein Rennen mit 70 km und 3000 hm in den Händen und ein Laufwochenende mit sehr viel Spaß und PULSmomenten im Herzen.
Rückblickend lässt sich sagen, dass sowohl die Veranstalter als auch die Teilnehmer des Ötscher Ultra Trails gezeigt haben, dass auch in herausfordernden Zeiten wie diesen einiges möglich ist.
Rücksichtnahme, Eigenverantwortung, Verständnis und Engagement – das sind wohl Zutaten, die zu so einem Ergebnis führen. Danke allen Beteiligten dafür!
Text und Bilder
www.pulsmomente.at