Ende November: Gemeinsam mit Mike und Benni sitze ich in Wien am Flughafen. Mike ist aufgeregt, Benni denkt nicht ans Rennen, sondern kämpft mit der Flugangst und ich bin einfach nur happy: Nach Spanien fliegen, laufen, mit Gleichgesinnten unterwegs sein, das Leben ist schön.
Das Flugzeug bringt uns gemeinsam mit einer Menge Touristen an den Ballermann. währenddiese die letzten Sonnenstrahlen genießen wollen, haben wir Anderes vor.
Ankommen, Koffer auspacken und ab zur Startnummernabholung. Danach noch beim Buffet zuschlagen und ab ins Bett.
Etappe 1
Der Wecker läutet um 5, kurz danach sitzt die ganze Trail-Familie beim spärlichen Frühstück. Egal ob Trail-Größe Miguel und Roberto Heras, Stephan Hugenschmidt, Maite Maora, hier sind alle gleich.ä Der Bus bringt uns in die Serra de Tramuntana zum Kloster nach Lluc.
Am ersten Tag stehen uns 47 Kilometer und 2700 Höhenmeter bevor. Einmal bis zum Wendepunkt und wieder retour.
Es geht los, hinein in den Anstieg. Bereits auf den ersten Kilometern wird mir klar: Hier wird uns nichts geschenkt, Steine über Steine über Steine. Laufen ist extrem mühsam und schwierig. Meine Stöcke liegen auch gut daheim in österreich. Aber weil fluchen bekanntlich nichts bringt, geht es weiter. Oben angekommen, freue ich mich nur kurz, denn auch der flache Trail am Bergrücken ist nicht wirklich laufbar. Langes Gras, hinter jedem Büschel wartet eine neue überraschung: große Steine, kleine Steine, spitze Steine. Auch beim Downhill bin ich sehr verhalten unterwegs, ich habe dieses Gelände nicht erwartet und eine völlig falsche Schuhwahl getroffen.ä Die dünne Sohle ist eine kleine Katastrophe, es fühlt sich an als würden sich ständig die Steine in meine Fußsohlen bohren. Ich tapse den Berg hinunter, vorbei am Wendepunkt für die K21 Läufer. für uns K42 Läufer geht es flach weiter, an einem See vorbei und anschließend steil bergab nach Biniarraix. Dieser Untergrund ist die Definition von ‚Runner’s Hell‘. Wer das Gefühl kennt mit müden Beinen über Kopfsteinpflaster zu laufen, multipliziert das mit 100 und weiß wo wir hier unterwegs sind. Der zusätzliche Haken an der Sache ist: Wir laufen das ganze wieder retour. Unterwegs treffe ich Benni, er kommt mir entgegen, ist also schon wieder im Anstieg „Boah so zach, alles wieder aufwärts“. Boah ja, ich will noch gar nicht darüber nachdenken, ich bin ja noch nicht einmal beim Wendepunkt. Unterwegs komme ich auf die lustige Idee, so eine Olive direkt vom Baum zu kosten. Was so nett klingt, schmeckt furchtbar, aber das Mund-ausspülen beschert mir für einen Kilometer eine gute Beschäftigung. Am Wendepunkt stärke ich mich mit Cola, Keksen und einem Stück Birne, dann geht es die 750 Höhenmeter wieder aufwärts. Eine Kurve nach der anderen, eine schier endlose Passage. schön, dass die 4 Spanier, mit denen ich bereits im ersten Anstieg unterwegs war in der Nähe sind und wir uns immer wieder ein wenig unterhalten. Es dauert eine Weile bis sie mit mir nicht mehr spanisch, sondern englisch sprechen. Als wir uns kurz verlaufen und dann doch wieder auf den rechten Weg kommen fragt der Führende ob die Signorina auch da sei – si, si, ich bin da, weiter geht – s!
Alles Weitere das ich heute verstehe ist Vamos und Hola. Vamos, Vamos, – alles wieder retour. Der letzte Downhill ist – wieder – die Hälle, diese Steine machen mich fertig. Nie scheint es so einfach gewesen zu sein, sich jederzeit und überall ein Band abreißen oder den Fuß brechen zu können. Das heißt Konzentration bei jedem Schritt – die letzten Kurven zum Kloster nach Lluc und dann ist es geschafft! Stage 1: done.
Etappe 2
Als wir am Abend im Hotel ankommen ist die erste Mission: essen. Danach auf die Blackroll, ins Bett und die Beine hochlegen. Ich schlafe kurz ein, bin danach aber völlig benebelt und mir ist schlecht. Der Körper versteht vermutlich überhaupt nicht was das soll, nach über 7 Stunden Belastung schreit alles nach Regeneration und Erholung. Das ist aber erst einmal nebensächlich, um 9 bereite ich meine 7 Sachen für die nächste Etappe vor, um halb 10 bringt uns der Bus an den Strand. Ein Haufen Verrückter, die anstatt zu schlafen, sich ans Meer karren lassen um dort im Dunklen einen Marathon zu laufen. Meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sich nicht nur, zum Glück wusste ich vorher nicht was hier auf uns zukommt! Die ersten 5 Kilometer auf Sand, danach ein paar lockere Kilometer auf Brücken und Straßen bis zum Wendepunkt für die K21 Läufer. plötzlich ist der ‚Besenwagen‘ bei mir – d.h. der Schlussmann für den/die letzten K42 Läufer. Das kann doch nicht wahr sein? Ich mühe mich ab und soll hier an letzter Position sein? Gottseidank hat er ein paar Leute übersehen, – aber dennoch: Hier ist fast ausschließlich die Crüme de la Crüme der Trailwelt am Start. In österreich bin ich – ohne überheblich klingen zu wollen – normalerweise im ersten Drittel angesiedelt, hier auf den Balearen herrschen andere Gesetze.
Nach den ersten 10 Kilometern wartet – ohne zu übertreiben – die Hälle auf Erden: Sand, nichts als Sand. Es gibt mehrere möglichkeiten, diesen Marathon zu bewältigen: Direkt am Wasser ist der Untergrund relativ hart, dafür schäpft man sich zwangsweise die Schuhe mit Wasser und Sand voll. Weiter oben versinkt man bis zu den Knächeln in Algen oder eben Sand und jeder Schritt ist unglaublich anstrengend. Der Leuchtturm, an dem der Wendepunkt sein soll, kommt nicht näher. Wenn der Sand kurzfristig aufhärt, dann laufen wir über Felsen. Ein Stolperer und ich lande auf Knie und Schienbein, *auuu*, gibt sich aber zum Glück nach ein paar Kilometern wieder. Ich bin sehr froh, nicht alleine, sondern mit Cornelia aus der Schweiz unterwegs zu sein. Wir laufen das gleiche Tempo und wechseln uns immer wieder ab, entfernen uns aber nie mehr als 200 Meter voneinander. In der Nacht, bei Müdigkeit neigt man dazu sehr irrational zu denken; wenn man plötzlich die Markierung aus den Augen verliert ist es beruhigend nicht alleine zu sein.
Irgendwann ist der Wendepunkt erreicht. Ich muss nur meine Beine dazu bringen, sich zu bewegen. Sämtliche Ultras, die ich gemacht habe, der Ironman, das alles war nichts gegenüber diesem Sand hier. Wie sehr ich zu diesem Zeitpunkt doch die Läufer beneide, die sich für die kurze Distanz entschieden haben. Aber die Gesichter derer, die mir entgegenkommen verraten: Es geht hier jedem Einzelnen dreckig und Genuss ist das für niemanden. Das hilft zwar nicht, ist aber beruhigend.
Langsam schwindet meine Energie und mein Magen beginnt zu rebellieren; kein Wunder bei der Anstrengung. Etwas durchfallgeplagt bin ich die letzten 10 Kilometer mit einer Colaflasche unterwegs, jeden Kilometer trinke ich 2, 3 Schluck. Das bringt mich nicht nur dem Ziel näher, sondern sorgt auch für Beschäftigung. Zwar sehe ich 100mal auf die Uhr, aber sonst gibt es hier ohnehin nichts zu sehen: nur dunkle Nacht, das Rauschen des Meeres und meine Beine, die keine Interesse mehr haben dieses Spiel hier mitzuspielen. Ich brauche eine Strategie, und die lautet: 4 Markierungspunkte laufen, das sind in etwa 800 Meter und dann wieder kurz gehen. Bei einem Ultra muss man sich selbst überlisten und das hier klappt, das Ziel taucht auf und ich bin so, so glücklich, es geschafft zu haben.
Nichts auf dieser Welt kann mich nach diesem Strandlauf noch aufhalten. 3. Etappe? Her damit, schlimmer kann’s ja nicht kommen.
Aber erstmal ab ins Bett. Nein, vorher noch auf die Blackroll und mein Geheimrezept für den lädierten Magen: Heilerde und ein Stamperl Underberg. Jaja, richtig gehört, das 44%ige Kräuterschnapserl ist die beste Medizin und hilft – auch wenn mir um 5 Uhr Früh davor graut – immer.
Danach versuche ich zu schlafen, aber der Organismus will nicht zur Ruhe kommen, der Stoffwechsel ist auf Hochtouren. Knappe zwei Stunden gehen sich aus und dann wanke ich mit dunklen Augenringen zum Frühstück; eine Wohltat endlich etwas Salziges zu bekommen.
Etappe 3
Der Bus bringt uns wieder in die Serra de Tramuntana. Der Start verschiebt sich und dann erfahren wir: Streckenverkürzung von 36 auf 30 Kilometer. Niemand beschwert sich, im Gegenteil: alle applaudieren. Und auch ich freue mich wie ein kleines Kind, das ist die schönste Nachricht des Tages.
Etappe 3 ist wieder anstrengend, wieder anspruchsvoll, aber auch wunderschön. Die Ausblicke zum Meer hinaus entschädigen für alle Blessuren, es ist ein Privileg hier laufen zu dürfen, auch wenn man noch so kaputt ist. Am späten Nachmittag kommt der Tramuntana-Wind bzw. eher Sturm auf und ich hoffe, nicht von einem Ast oder ähnlichem getroffen zu werden. Beim letzten Downhill brauche ich meine Stirnlampe, langsam macht sich die Müdigkeit bemerkbar: Ich muss mich am Riemen reißen um konzentriert zu bleiben, ein paarmal bin ich kurz davor zu stolpern, aber zum Glück passiert das nicht. Auf die spitzen Steine möchte ich nicht knallen.
Einsam laufe ich durch die Nacht, ehe ich endlich – überglücklich – in der Finca Galatzo ankomme.
Das eigentliche Highlight des Tages: Wir schaffen es im Anschluss noch knapp zum Hotelbuffet, traumhaft!
Etappe 4
Die kommende Nacht dürfen wir endlich schlafen, am Sonntag Morgen fühle ich mich besser als am Tag davor und freue mich auf die letzte Etappe. 19 Kilometer, was soll uns jetzt noch passieren? Auch wenn ich ins Ziel gehen müsste, das Finish kann mir niemand mehr nehmen, davon bin ich überzeugt.
Die Stimmung unter uns Läufern ist gut, man merkt, dass die Spannung nachlässt und alle hinaus wollen in das Gelände rund um das Castillo von Palma. Die Veranstalter scheinen das zu merken, 2 Minuten zu früh fällt der Startschuss und wir laufen los. Eine wunderschöne Strecke um die Innenstadt, auch das Militär stellt uns ihr Gelände zur Verfügung und hier wird uns alles geboten, was das (Trail)läuferherz begehrt. Von genialen Downhills über ein ausgewaschenes Bachbett, es ist alles mit drin. Kurze Asphaltpassagen, schlimme übelkeit, plötzliche Hitze, 477 Stufen vor dem Ziel, wir schaffen das, und wie!
Im Ziel fällt sich die kleine Trail-Familie in die Arme.
„In the end of this race we will all be friends“, das waren die Worte des Veranstalters Toni zu Beginn, und er hatte Recht. Wer sich drei Tage lang gemeinsam plagt, durch den Sand quält und am Ende lächelt, versteht sich ohne Worte.
Was für ein Rennen, was für eine Herausforderung! Am Nachmittag schlendern wir über die Promenade von Plßa de Palma, trinken Kaffee und versuchen ein Resumäe zu ziehen: Kann man das Rennen empfehlen? Der Strandmarathon soll nächstes Jahr durch einen Vertical K ersetzt werden. Wenn das wahr wird, dann hat der Transmallorca Potenzial, zum Klassiker der Nachsaison zu werden.