Tag 6
Klosters – Scuol
47,8 km / 2.400 Hm
Nach dem gestrigen Ruhetag mit ‚nur‘ Bergsprint war das Gefühl heute morgen sehr gut. Zwar klingelte der Wecker um 4.30 Uhr, aber als Frühaufsteher ist das nicht allzu schlimm.
Frühstück gab es bereits um 5 Uhr, anschließend war noch ein bisschen Zeit um im Bett herumzulungern und in Ruhe alles zu packen.
Heute sollte die Königsetappe am Programm stehen. Kurz nach 7 startete das gesamte Feld gemeinsam. Erst einmal flach hinaus aus Klosters, super, damit es zu keinem Stau bergauf kommen konnte. Nach 6, 7 Kilometern ging es dann in eine Forststraße hinein und immer aufwärts. Wir hatten ein recht gutes Tempo angeschlagen, waren wohl im vorderen Drittel mit dabei, eigentlich mit dem gleichen Tempo wie die Tage zuvor. Der einzige Unterschied: Florian hatte heute den Turbo gezündet und lief über jeden Hügel, als gäbe es gar keinen Anstieg. Ich bin zwar ausdauernd, aber definitiv keine Bergläuferin. Dazu kam, dass extrem viele Läufer im Feld unterwegs waren (weil es eben keinen Wellenstart gab) und so fühlte ich mich von Beginn an total gestresst. Ständig irgendwelche Stöcke im Nacken, dann wieder überholt werden, Florian davon laufen sehen und merken, selbst einfach zu langsam zu sein.
Das hier ist ja ein Blog und heute war es einfach nicht harmonisch. Bis zu Kilometer 18 ging es immerzu bergauf, zum Schluss ziemlich steil. Das Panorama: Grundsätzlich schön, war aber heute einfach kein Genuss, weil ich nicht wirklich Zeit hatte nach links und rechts zu sehen.
Angekommen auf knapp 2.739 Metern kurz ein Foto, dann abwärts durch sehr technisches Blockgelände. Florian springt wie eine Bergziege bergab, ich fluche über meine Hoka Speedgoat (Schuhe), die zwar auf langen Distanzen generell toll sind, aber in einem so technischen Gelände einfach ein Schmarrn sind. „Die landen heute im Müll!“ Ich fluche vor mich hin und bin dabei nicht die Einzige. Anderen geht es genauso.
Ich gebe mein Bestes und spüre, dass es heute einfach nicht passt. Es geht weiter abwärts auf eine Forststraße bis zur Verpflegung 2. Dort greife ich zu einem Schokokipferl, dazu ein Stück Brot – soweit ich mich erinnern kann. Die Flaschen werden befüllt, denn mittlerweile knallt auf 2.000 Metern die Sonne wieder ordentlich herunter.
Wir laufen weiter, ein paar Kilometer noch aus dem Tal hinaus, dann folgt der nächste Anstieg. Wieder zieht Florian vorne weg, das geht so bis etwa Kilometer 25. Es wird Zeit, das Thema anzusprechen, denn es passt für beide nicht. Ich bin frustriert, weil ich offensichtlich zu langsam bin und Florian fällt es heute in so starker Form mental sehr schwer, sich zurück zu halten. Beides ist verständlich und ausgesprochen fällt es gleich einmal leichter. Erste kleine Tar-Beziehungskrise. Hilft aber nix, wir sind ein Team und da müssen wir jetzt durch. Wäre langweilig wenn ich nur von Friede, Freude, Eierkuchen schreiben würde, oder?
Weiter, immer weiter, essen und trinken nicht vergessen. Ein Mini-Zaun (ca. 30 cm hoch, wenn überhaupt) wird mir zum Verhängnis. Keine Ahnung, wie ich darüber falle, auf jeden Fall ist es ein Bauchfleck auf die Wurzeln. Ein kleiner Kratzer, ein bisschen was auf die Rippe. Streifen verrutscht, um bei Janosch zu bleiben. Nichts passiert. Irgendwann kommt das Schild mit ‚15 km to go‘ und da steht unser #vpschnaps. Heute 10 Kilometer früher als sonst. Mega! „Hast du wieder einen Hugo?“ rufe ich ihm zu. „Nein, heute Gin Tonic.“ Passt, dafür muss Zeit sein. Danke für die Aufheiterung und den wunderbar herben Geschmack neben all dem süßen Zeug. Schnell hinuntergekippt und weiter.
Es ist heiß, heiß, heiß. Florian läuft bergauf, ich knalle die Stöcke in den Boden, so gut es eben geht. Wie gesagt, passt heute nicht. Gibt aber keinen Grund zu streiten, akzeptieren und weiter laufen, jeder macht es so gut es geht. Mit leichter Übelkeit und dezent erledigt vergeht Kilometer für Kilometer. 5 to go. 4. Heiß heiß heiß. 3. Nicht mehr weit. Ich muss mich daran erinnern, was ich das letzte Jahr durchgemacht habe und dass es keinen Grund gibt, negativ zu denken. Einfach ist es nicht. Ich werde es mir aber für morgen verinnerlichen.
Wir erreichen beide sehr erleichtert nach 7 Stunden und 49 Minuten das Ziel. Geschafft. Noch 1 Tag. Morgen mit 43 Kilometern und wieder über 2.000 Höhenmetern.
Am Abend fahren wir noch mit der Gondel ins Bergrestaurant zum Pasta Plausch und Briefing, wir nehmen Florian’s Podcast auf und können – natürlich und zum Glück! – über den Tag lachen. Teamwork makes the dream work.
Und jetzt? Kekse und Schokolade. Gefühl für morgen? Ich weiß nicht ob ich mich fürchten soll, aber wenn man so viel geschafft hat… Wir werden die letzte Etappe als Team ganz sicher managen und wir freuen uns jetzt schon auf Cappuccino, Bier und Pizza in Prad!