Tag 2
29,2 km
1.830 Hm
5:25 Uhr. Ich bin wach. 5.30 Uhr. Der Wecker klingelt. Zeit für Etappe 2.
Der Schlaf war ein bisschen unruhig. Nach lagen Belastungen läuft mein Stoffwechsel immer durch und es fällt mir gar nicht so leicht völlig zur Ruhe zu kommen. Ist aber nicht schlimm, ein bisschen Müdigkeit darf nach 32 Kilometern am Vortag in den Knochen stecken. Ein bisschen durchbewegen und auflockern, dazu eine Tasse Yogi Tee am Zimmer, ein Stück Schokolade, eine kalte Kopfdusche, da kommen die Lebensgeister zurück!
Wir bereiten beide die letzten Dinge vor: Flasks werden neu befüllt, die Beine mit Creme versorgt und natürlich wird versucht, die große Tasche wieder zu schließen. Zum Glück müssen wir sie nur in den Lift und hinunter zur Rezeption rollen. Dort wird sie wieder abgeholt.
Übrigens zum Thema Taschen: Die Logistik ist wirklich faszinierend und weil ich gestern während des Laufens ja genug Zeit zum Nachdenken hatte: Am Morgen vor dem Start wurden 600 Taschen abgegeben (300 Teams à 2 Läufer), etwa 4 starke Männer haben diese in die LKW’s gehoben. Wenn eine Tasche durchschnittlich 20 Kilo schwer ist (räusper, unsere beiden Taschen heben den Schnitt), hebt einer dieser Männer beim Einladen bereits 3 Tonnen. Das ist Intervall-Krafttraining… Chapeau und Danke!
Um 6.15 Uhr sitzen wir bereits beim Frühstück: Kaffee, Tee, Haferflocken, ein paar Brötchen – einfach das, worauf man Lust hat und was man gut verträgt. Eine Stunde später, um 7.15 Uhr machen wir uns auf zum Start. Die Morgenluft ist so richtig frisch – 6 Grad zeigt das Thermometer.
Weil wir uns gestern inmitten der ersten 150 Teams platziert haben, starten wir im ersten Startblock um 8 Uhr. Es wird herumgehüpft um nicht komplett auszukühlen, natürlich zum gefühlten 10. Mal seit dem Aufstehen aufs Klo gelaufen und dann geht es wieder zur Ausrüstungskontrolle. Das geht zackig und dann warten wir nur noch auf den Startschuss. Die Sonne taucht über den Bergen auf, der Ausblick links und rechts auf die Bergmassive ist beeindruckend.
Kapuff … hinaus auf die Strecke! Nach nur einem Kilometer geht es heute in einen sehr steilen Anstieg hinein und die Taktik ist klar: Richtig schnell weglaufen, sich unbedingt in der ersten Hälfte einreihen, sodass wir nicht zum Stehen kommen. Das klappt wieder bestens und wir können ein zügiges Tempo anschlagen. Es ist etwas sehr zügig und es ist brutal steil. Auf ca. 3 oder 4 Kilometern sind 900 Höhenmeter zu bewältigen. Für mich als Läuferin aus dem ‚nur‘ hügeligen Mühlviertel tut das ziemlich weh. Der Schweiß tropft trotz der sehr niedrigen Temperaturen von der Stirn, ich lehne mich in meine Stöcke und schiebe mich nach oben. Für Florian ist das, so wie er immer wieder nach vorne sprintet und Fotos oder Videos macht, irgendwie ziemlich easy. Er hat heute einen mega starken Tag! Nach 1:15 h sind wir oben – das ging flott. Ich würde dem hohen Anfangstempo später noch ein bisschen Tribut zollen müssen (oder der Tatsache, dass ich in den ersten zwei Stunden nur ein Doppelkeks und ein paar Smarties gegessen habe).
Nach dem langen Anstieg geht es ganz gemütlich, immer ein bisschen wellig, zur ersten Labestation bei Kilometer 13. Dort esse ich ein bisschen Haferbrei (genial) und befülle die Flaschen. Florian schnappt sich ein paar glutenfreie Brötchen und nach ein paar Minuten geht es weiter. Ein schöner Singletrail wartet auf uns, ehe es schon in den zweiten längeren Anstieg hineingeht. Langsam wird es auch warm, die Sonne heizt auf die Skipiste, die wir nun erklimmen. Ich packe zwei Manner Waffeln aus und denke gar nicht darüber nach, ob das ausreicht. Nur irgendwie ist es ganz schön zäh hier hinauf. Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass es noch einmal so steil wird. Die Höhenmeter vergehen aber trotzdem ganz schön schnell, auch wenn sich meine ‚Wadln‘ sehr leer anfühlen.
Wird schon wieder werden! Die zweite Labestation ist nach 19 Kilometern und 1670 Höhenmetern Anstieg erreicht. Noch einmal die Flasks füllen und ein kurzer Blick: Was gibt’s hier zu essen? Erdäpfel! Mit Salz! Da nehme ich ein paar Bissen, Florian ebenso, und schon laufen wir wieder abwärts. Es folgt ein Gegenanstieg. Abwärts. Wieder ein Gegenanstieg und irgendwie geht jetzt gar nichts mehr. „Problem. Lösung. Erinnere dich, was hast du falsch gemacht?“ Ich führe Selbstgespräche. Ein kurzer Rückblick der letzten 3,5 Stunden macht glasklar, dass ich viel, viel, viel zu wenig gegessen habe. Auch eine Vielzahl von Rennen bewahren nicht davor, Fehler zu machen. Ojemine. Florian ist so stark und ich so dumm. Schnell schnappe ich mir ein Gel aus meinem Rucksack, das muss mich jetzt retten. Ein Blick auf die Uhr. Maximal 10-15 Minuten sollte es dauern, bis es wieder besser läuft. Genau so ist es zum Glück. Das Zuckerloch ist relativ schnell überstanden und ich kann mich wieder konzentrieren. Ein bisschen vorsichtig bin ich bergab wegen meinem Rücken immer noch, aber das hat vermutlich auch positive Seiten, denn so kann man sich die Oberschenkel für die nächsten Tage nicht so leicht ‚zerschießen‘.
Der Weg bergab ist wunderschön, viele Wurzeln, erdig, wirklich genial zu laufen. Ach und die Heidelbeeren und Preiselbeeren. Da, wenn man jetzt kurz auf Stopp drücken könnte und ein bisschen was pflücken… ich stolpere, ich fliiiiege, nein ich fange das ab… , ich fliege doch! Im Zeitlupentempo knalle ich auf die Wurzeln. Ist aber so gut wie nichts passiert. Dummer Sturz. Florian hilft mir auf, weiter geht’s. Die letzten Kilometer laufen toll.
Das Einzige, das uns beide echt ärgert, ist ein Herrenteam vor bzw. hinter uns. Teampartner A ist weit voraus, Partner B weit zurück. Man würde ja meinen, dass jemand, der schneller und dessen Ego so groß ist, zumindest 1 Kilometer vor dem Ziel wartet. Nein, ist nicht der Fall. Es brennt uns beiden auf der Zunge, etwas zu sagen, aber wir lassen es. Gerne wäre ich hier offizielle Trail-Polizei, ich würde Kandidat X aufgrund grober Unsportlichkeit sofort aus dem Rennen nehmen.
Aber zurück zu uns! 1 km to go. Wir biegen ein in die Straße nach St. Anton, es ist ein geniales Gefühl auch den zweiten Tag so gut geschafft zu haben. Auch Norbert vom Team Trailrunning Szene ist vor Ort und begrüßt uns schon vor dem Ziel. Nach 4 Stunden und 44 Minuten haben wir die zweite Etappe gemeistert. Eine Umarmung, ein ehrliches Danke und große Freude!
Danach: Grüner Tee, Essen, Duschen und ein bisschen die Beine im Teich neben dem Zielgelände baumeln lassen.
Den restlichen Tag verbringen wir gemütlich mit Kaffee trinken, viel essen, Blackroll, Massagepistole, Compex, Fotos sortieren, Tagebuch schreiben, Pasta (bzw. Reis) Party und mit vielen bekannten Gesichtern aus der Szene quatschen, die man im letzten Jahr nicht gesehen hat. Es ist schon ein bisschen wie eine große Familie und man fühlt sich sehr wohl.
Im m3 Hotel sind wir übrigens genial untergebracht – so aufmerksam wie das Team hier an der Rezeption war selten jemand. Danke dafür!
Morgen geht es von St. Anton nach Galtür, es warten etwa 34 Kilometer und 2.400 Höhenmeter auf uns.