Keine Wettkämpfe. Die Ziele haben sich in Luft aufgelöst. „Das ganze Training war umsonst“.
Ich weiß nicht wie oft ich diesen Satz in den letzten Tagen auf Facebook oder Instagram gelesen habe. Wisst ihr was? Ich habe ihn bis heute nicht verstanden.
Ja, es ist mies, dass viele Frühjahrsklassiker wie Linz oder Wien Marathon abgesagt werden mussten. Auch ich hatte eine Zielzeit, war vermutlich schnell wie nie und bin mir ziemlich sicher, dass ich meine Bestzeit geknackt hätte. Bei jedem Intervalltraining am Laufband habe ich mich abgemüht und bin mehr als einmal an meine Grenzen gegangen. Ein paar mal dachte ich, ich müsste gleich neben das Band kotzen. Das klingt nicht schön, aber mit einem ambitionierten Ziel geht man auch ans Limit.
Ein paar Tage vor dem ersten Highlight, voller Vorfreude, kam die erste Absage. Dann die nächste und die Gewissheit, dass dieses Ziel – in meinem Fall den Halbmarathon unter 1:30 zu laufen, für heuer passé ist. So mancher wird sich nun denken: Schade.
Schade fand ich es auch, ich habe mir aber keine Sekunde gedacht, dass irgend etwas umsonst war. Warum? Weil ich nach jedem einzelnen Training, das mehr war als eine gemütliche Stunde im Wald herumzulaufen, stolz auf mich war. Weil ich an mein Ziel geglaubt habe. Jedes Mal wenn es richtig anstrengend war. Weil ich mich jedes Mal gefreut habe auf den Moment wenn ich soweit bin. Am Ende war ich soweit. Ich habe gespürt, dass ich es drauf habe. Ich konnte es nur nicht im Wettkampf zeigen.
Nun sind wir beim springenden Punkt. Ich bin unglaublich gerne bei Wettkämpfen dabei, aber ich laufe nicht um eine Startnummer zu tragen, ich laufe um des Laufens willen.
Mein ganzes Leben schon, egal an welchem Tiefpunkt ich war, ist der Sport für mich eine Konstante, die mich trägt. Die Natur fängt mich auf, egal was gerade passiert.
Ist es dir nach einem Traillauf schon einmal schlechter gegangen als vorher?
Ich persönlich kann mich an keinen einzigen erinnern. Also kann nichts umsonst gewesen sein. Denn wenn ich draußen war, wenn ich mich bewegt und gespürt habe, geht es mir besser. Immer. Nutzen wir die Zeit doch als Chance um zu überdenken, warum wir überhaupt laufen. Wer nur für Wettkämpfe läuft und jetzt keinen Sinn mehr sieht, die Laufschuhe zu schnüren, hat vielleicht das falsche Hobby oder will sich nur präsentieren.
Wer dagegen so gerne läuft wie wir, wird die Enttäuschung über ein abgesagtes oder verschobenes Rennen schnell verdauen. Wenn du über den Winter super trainiert hast, dann überleg dir genau jetzt, was du noch verbessern kannst. Was sind deine Stärken und Schwächen? Nimm dir die Zeit, gib deinem Körper eine kleine Pause. In ein paar Wochen kannst du wieder voll durchstarten – mit einem Unterschied:
Wir werden alle mit einem Freiheitsgefühl laufen, das wir bisher gar nicht kannten.
Wir werden die Gemeinschaft unter uns Läufern zu schätzen wissen wie nie zuvor. Das Gefühl, Glück teilen zu dürfen, einen Gipfel gemeinsam zu erreichen, wird den extremen Leistungsgedanken – immer höher, besser, schneller, weiter – ein Stück weit in den Hintergrund drängen.
Ich wünsche uns allen, dass uns diese Corona Krise trotz aller Schwierigkeiten, die es momentan zu meistern gibt, weiterbringt. Vielleicht müssen wir genau jetzt einen Gang zurückschalten, damit wir in einiger Zeit einen großen Schritt vorwärts kommen.
Aus der Trailrunning Szene Redaktion
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