Rosengarten-Schlern Skymarathon: Steil, wild & wunderschön!
„Scusa! Sorry! Achtung!“ zischt eine angestrengt klingende Stimme schwer atmend durch die Ruhe des Waldes, zwei Wanderer drehen sich ruckartig um und verlieren fast ihre Balance als sie einen wenig eleganten Ausfallschritt zur Seite machen. Ich grinse, bedanke mich und hüpfe von Stein zu Stein an ihnen vorbei. Hier lässt sich das „der-Boden-ist-Lava-Spiel“ ganz ausgezeichnet spielen, und zack, wird auch noch schnell ein Trailläufer von rechts überholt…
Es wird weh tun…
Zwei Kehren weiter geht der Trail in den berühmt-berüchtigten „Prügelweg“ über. Warum dieser Weg so heißt offenbart sich auf zwei Weisen: erstens beim Anblick – der komplette Pfad ist mit nach oben spitz zulaufenden, im Querschnitt dreieckig geformten Balken (Prügeln) befestigt und zweitens, wenn man die ersten Schritte darauf läuft: hier werden die Füße und Gelenke nicht massiert, sondern – nomen est omen – regelrecht geprügelt. Ich kenne diesen Abschnitt noch vom letzten Jahr und weiß, dass es jetzt ein paar Minuten eher ruppig dahingeht und eventuell nach knapp 3000 positiven Höhenmetern auch etwas weh tun könnte. Dennoch: langsamer werden ist keine Option, denn das Ziel wartet schon auf mich – so bleibt nur: Zähne zusammenbeißen und im vollen Karacho über den Prügelweg rattern!
Imposante Landschaft & geniale Trails
Ich befinde mich ungefähr bei km 35 des Rosengarten-Schlern Skymarathon, der nach meiner ersten Teilnahme 2018 für mich sofort ein Fixtermin geworden ist: der Lauf kombiniert so ziemlich alles was Trailrunning zu einem so genialen Sport macht: die atemberaubende Dolomitenlandschaft, gnadenlose Anstiege, super technische Downhills und dazu italienisches Klima, Lebensart und natürlich das geniale Essen! Während ich über den herausfordernden Trail Richtung Tal renne, tagträume ich von arktisch kaltem Eistee… Die Hitze ist nicht so sengend wie im Jahr davor, vor allem in den höheren Lagen ist sie gut erträglich, aber beim hochkonzentrierten Ritt in Richtung Tal spürt man wie es mit jedem negativen Höhenmeter wärmer wird, die heiße Luft schlägt einem förmlich ins Gesicht. Hinter mir liegen bereits ziemlich alle Aufstiegsmeter und auch die panoramamäßig imposantesten Passagen im Bereich des Grasleiten- und Molignonpasses. Auch wenn sich an vielen Stellen ein Déjà-vu einstellt, bleibt die Faszination für diese schroffen Felsformationen ungebrochen. Obwohl ich mir dieses Mal eigentlich vorgenommen habe keine Fotos zu machen, weil ich ja schon da war, kann ich der Versuchung dieser wunderschönen Aus- und Einblicke nicht verwehren und banne sie immer wieder auf digitalen Film.
Eine Frage der Ehre
Die kleinen Streckenänderungen die durch die Auswirkungen der Naturgewalten der letzten Wochen notwendig sind fallen überhaupt nicht – und schon gar nicht negativ auf. Knapp zwei Kilometer vor dem Ziel quert die lange Strecke dieses Mal das erste Mal eine Straße, doch halt: war das selbstauferlegte Motto nicht „no asphalt“?! Dass dieser Lauf mit Herzblut gemacht wird, und das Asphaltfrei-Motto Ehrensache ist, offenbart sich in der Lösung für dieses kleine Problem, das mich mit einem breiten Grinsen die Straße queren lässt: die Organisatoren haben keine Mühen gescheut und einen Naturgras-Teppich auf der Straße ausgelegt, sodass wir Läufer zu keiner Zeit auch nur einen einzigen Schritt auf den ungeliebten Teer setzen müssen – einfach genial!
Ausklang auf Südtirolerisch
Ein letzter motivierter Zielsprint, für den noch alle übrigen Kräfte mobilisiert werden, und ich stehe auf dem Hauptplatz von Tiers. Hier wuselt es bereits vor lauter glücklichen Finishern und Zuschauern. Der Sprecher begrüßt alle ankommenden Läufer die sofort mit schönen Holzmedaillen behängt werden. Ich falle in einen Liegestuhl und komme zur Ruhe. Nach einer wohltuenden kühlen Dusche gönne ich mir eine Massage im entsprechenden Zelt zum sehr fairen Preis von 10 Euro. Dieses Mal muss ich nicht sofort nach dem Lauf abreisen und kann endlich das gastfreundliche Flair im Ziel genießen. Bei warmem Essen, kühlem Bier und dem erträumten Eistee wird mit Freunden und Bekannten noch über den Lauf und das Leben gefachsimpelt. Auch die Rennleitung und die Helfer sind nachdem der letzte Läufer im Ziel ankommt sichtlich froh, dass wieder einmal alles perfekt über die Bühne gegangen ist und prosten uns zu! Ein genialer Tag geht zu Ende… eines sei noch verraten: für 2020 habe ich schon wieder einen Südtiroltrip geplant, diesmal am Wochenende um den 11. Juli… der „Suchtfaktor“ dieser Veranstaltung hat sich nach der zweiten Teilnahme – falls das überhaupt möglich ist – noch ein bisschen erhöht!
Text: Stefan Vonbun (kilometerfresser.at)